MARIA & JOSEF IN NACHTBAR
Hoppla! Am Ende einer Bar, das ich nach mehreren Zwischenstopps, die ich dazu nutze, einen Plan für die Nacht zu entwerfen, in Zeitlupe erreiche, stehen zwei Mädchen herum und gackern, genauer: die eine steht und gackert, die andere sitzt und kreischt. Ich wende mich an die Person mit dem Sitzplatz, mache eine Verbeugung und schiebe meinen Mund so dicht an ihr Ohr, daß meine Lippen ihre Ohrmuschel berühren. Das Mädchen zuckt zurück, doch ich zucke mit und sage:
„Sorry, aber mir ist übel! Könnte ich mich vielleicht für einen Moment setzen?“ Hallo!
„Oh, selbstverständlich“, antwortet die Halbzarte, einen Tick zu freundlich. Und während sie aufsteht, schwenkt ihr Blick – Pupillen so groß wie Teelöffel – von mir zu ihrer Freundin. Ob sie was geschluckt hat? Beide Mädchen fangen wieder an zu gackern. Ich setze mich. Nachdem ich mein Glas auf ex getrunken habe, schließe ich die Augen und tue so, als sei mir schlecht: meine Arme hängen schlaff herab, in der Rechten baumelt das Weinglas im Takt. Es läuft „Everyday“ von Jamiroquai.
„Bra-lala Sie-lala Hie-lala?“ Die Tonfolge dieser Frage quetscht sich zwischen Melodie und Stimmengewirr durch meinen Gehörgang bis in mein Bewußtsein hinein – „Wie bitte?“ –, allerdings geben die Laute keinen Sinn. Wer spricht? Ich öffne die Augen: Das Mädchen, das mir ihren Platz überlassen hat und das ich in dem Bemühen, Verwirrung zu vermeiden, Maria nenne, schaut fragend zu mir herab, während ihre Freundin, die ich Josef nenne, Sorgenfalten zur Schau trägt. Maria wiederholt ihre Frage, Worte, die ich nun, nachdem sie es ist, die ihren Mund an meine Muschel schiebt, endlich verstehe – O-Ton: „Brauchen Sie Hilfe?“ Ich lasse mein Glas fallen und antworte:
„Nein, es geht schon. Doch wenn du mir einen Drink bestellen könntest, wäre ich dir nicht nur dankbar“, krächze ich, „sondern ...“ Unverhohlen blicke ich meiner Gesprächspartnerin in den Ausschnitt. Und nicke.
„Sondern?“, hakt sie nach.
„Egal“, sage ich. „Laß dich überraschen!“
„Nun, ich helfe gern, auch ohne Gegenleistung“, erwidert Maria kichernd. „Was hätte der Herr denn gerne?“ Ich antworte im Flüsterton, langsam, jedes Wort erbitternd betonend:
„Der Herr hätte gerne einen Rotwein.“ Anstatt noch einmal nachzufragen, dreht Maria ihren Körper aus dem Stand zur Theke und bestellt: Rotwein! Offenbar kann die Halbzarte von den Lippen ablesen. Ob sie auf mich steht? Für den Bruchteil einer Sekunde berühren sich unsere Körper. „Willst du nicht lieber an die frische Luft gehen?“, fragt mich Josef. Lieber? Ich tue so, als hätte ich die Frage falsch verstanden und antworte: „Nein, ich möchte nicht mit dir gehen.“